Haushaltsrede der UWG Kaarst 2012

Hier finden Sie unsere Haushaltsrede 2012, gehalten im Stadtrat von der Fraktionsvorsitzenden der UWG Kaarst, Frau Anja Rüdiger. Es gilt das gesprochene Wort :

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine Damen und Herren aus Verwaltung und Politik,

verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger

„The same procedure as every year“!

Wir ziehen uns Anfang des Jahres in unsere Kemenaten zurück, arbeiten annähernd 400 Seiten eines Produktbuches durch, überlegen uns Spar- und Ausgabemöglichkeiten und jede Fraktion für sich einigt sich darauf, welche politischen Wünsche sie erfüllt wissen will.
Dabei driften jedoch die Meinungen darüber, welche Ausgaben bzw. Investitionen zum Wohle unserer Stadt und ihrer Bürger zwingend erforderlich und welche lediglich wünschenswert sind, in vielen Fällen erheblich auseinander.

Aber auch das ist kein Problem.
In 2 Mammut – Hauptausschusssitzungen, bereichert durch belegte Brötchen, werden Forderungen und Wünsche für das laufende Haushaltsjahr erläutert, begründet, diskutiert und zum Schluss auch abgestimmt.

Doch spätestens hier kommen die Mehrheitsfraktion und deren Vasallen zum Einsatz.Viele gute Einwände, Anregungen und Ideen bleiben auf der Strecke, sind nur deshalb inakzeptabel, weil sie nicht von der Bürgermeisterfraktion sind.Wie hat das ein Vertreter ihrer Fraktion, meine Damen und Herren der CDU, in einer der letzten Ausschusssitzungen in etwa formuliert:
„Wir wollen nach unseren Vorstellungen gestalten!“

Also: the same procedure as every year!

Nicht ganz. Denn im letzten Jahr ist es den Nicht-Mehrheitsfraktionen gelungen, unterstützt durch den großen Einsatz engagierter Kaarster Bürger mit Hilfe eines Bürgerentscheides den Mehrheitswillen zu brechen. Die Grundschule Staakerseite bleibt an der Staakerseite und muss nicht in das Schulgebäude an der Bussardstraße umziehen. Somit ist gewährleistet, dass die Grundschüler aus dem Kaarster Osten keine kilometerlangen Wege in ihre Schule zurücklegen müssen.
Doch jetzt, man glaubt es kaum, denken einige „Gestalter“ in diesem Rat bereits über den Abriss des Gebäudes an der Bussardstraße nach. Abriss eines Gebäudekomplexes, der noch Mitte letzten Jahres als Grundschule in bestem Zustand favorisiert wurde. Gestaltungsvorstellungen nach dem Wetterbericht!

Allerdings, meine Damen und Herren,
leben wir hier in Kaarst, verglichen mit anderen Kommunen immer noch im „Wolkenkuckucksheim“.

In meiner Haushaltsrede im letzten Jahr habe ich von dem „Finanzwunder von Kaarst“ gesprochen.Sie erinnern sich sicher noch an die „Einmal-Effekt-Erhellungen“ im Gewerbesteuerbereich, die uns im Haushaltsjahr 2010 eine Ergebnisverbesserung von ca. 10,5 Mio. € beschert haben. Und das bei einem Haushaltsvolumen, das im März 2010 noch mit ca. 69 Mio. € beschlossen wurde.So wurde von einem prognostizierten Defizit von ca. 8,2 Mio. € ein Überschuss von ca. 2,3 Mio. Euro.

Auch für 2011 sind „Erhellungen“ in Sicht. Denn der Finanzplan wies in der Prognose noch einen Schuldenstand von 2,2 Mio. € aus. Tatsächlich waren zum 31.12.2011 jedoch 2,4 Mio. € in der Kasse, und das obwohl wir laut Bürgermeister und Kämmerer 2011 die Einmalzahlungen aus Gewerbesteuer 2010 fast komplett zurückzahlen mussten. Es gilt abzuwarten, was das tatsächliche Rechnungsergebnis nach Ablauf des 1. Quartals 2012 uns noch an ähnlich positiven Überraschungen bringen wird.

Festzustellen ist, der Wirtschaft in Deutschland geht es weiter gut und auch das Handwerk boomt. Aufgrund von vollen Auftragsbüchern können die Unternehmen auch in diesem Jahr mit stattlichen Gewinnen rechnen. Die Arbeitslosenquote befindet sich auf einem historischen Tiefststand!

Dies sind eigentlich ideale Voraussetzungen endlich die Konsolidierung unseres Haushaltes anzustreben, der jedoch auch in diesem Jahr wieder ein Defizit von ca. 6,7 Mio. € ausweist. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob sich auch dieses Defizit im Rahmen der biblischen, wunderbaren Brotvermehrung wieder in ein Plus verwandelt.

Dennoch sind die eindringlichen Worte unseres Kämmerers zu Beginn der UWG-Haushaltsklausur durchaus ernst zu nehmen:
“Die Grenze des Haushaltes ist erreicht! Die Wanne läuft über!“
Davon abgesehen, dass solche Äußerungen in den unterschiedlichsten Facetten über Jahre hinweg bereits Geschichte haben, müssen wir zwingend gemeinsam eine Sparstrategie erarbeiten.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir, wie im vergangenen Jahr beim Sparen nach der „Rasentrimmer-Methode“ verfahren, die übrigens u.a. dazu geführt hat, dass laut Produktbuch 2012 fast alle Fraktionen für ihre Arbeit mit weniger Zuwendungen von Seiten der Stadt auskommen müssen.
Fast alle, denn die CDU hat ihre „sog. Einsparungen“ aufgrund des von ihr gewünschten und so beschlossenen Verteilungsschlüssels mit den Almosen der anderen Fraktionen mehr als ausgeglichen, nämlich um 724 € erhöht.Das sind, meine Damen und Herren der CDU, wahrhaft „rechtschaffene“ Sparvorstellungen, die vielleicht auch Strategie sind.

Nun, meine Damen und Herren, was sollte man unter den Begriff „Sparstrategie“ verstehen?
Es muss eine Sparstrategie sein, mit der uns trotz externer Belastungen und interner Anforderungen eine solide Haushaltsführung gelingen kann.

Zuerst müssen wir unsere Ausgabenpolitik ändern!
Dabei ist vorrangig zu bedenken, dass Reduzierung der Ausgaben auch Reduzierung der Aufgaben heißen kann.
Es dürfen nur noch neue Projekte und Aufgaben übernommen werden, die unbedingt notwendig sind. Das für 2012 in unserem Haushalt veranschlagte Projekt- und Aufgabenvolumen kann kapazitiv gar nicht abgearbeitet werden. So gesehen ein Plus für Kaarst, ein Plus für unseren Kämmerer. Denn in wirtschaftlich guten Zeiten, fällt das Defizit von vorn herein nicht so hoch aus wie veranschlagt.
Doch das ist keine Grundlage für eine solide Haushaltspolitik.

Grundlage für eine solide Haushaltspolitik ist es auch nicht, wenn mit fadenscheinigen Begründungen Einzelbauvorhaben, die als unendliche Geschichte bereits in die Annalen der Stadt Kaarst eingehen, zurückgestellt werden. Hier spreche ich die aktuelle Diskussion um den Bebauungsplan 112 A und B, Rathausstraße / Maubisstraße an, der nun im Eilverfahren neu aufgestellt werden soll.
Nur um nach jahrelangen Versäumnissen eigene Vorstellungen durchzuboxen, ohne Rücksicht auf die existenziellen Belange des Grundstückseigentümers, wird zusätzliche Verwaltungsarbeit und Geld gebunden, das an anderer Stelle wesentlich besser eingesetzt wäre.

Desweiteren tanzen wir nach PROBEKA-Liste mit 17 Projekten in der Priorität 1 auf vielen Hochzeiten.
Anscheinend hält es die Mehrheit dieses Rates lieber mit Mark Twain:

„Von jetzt an werde ich nur noch so viel ausgeben, wie ich einnehme – und wenn ich mir Geld dafür borgen muss.“

Das ist das Stichwort! Borgen!
Nach der Abstimmung der Fraktionswünsche in der letzten HWFA Sitzung soll der Kreditrahmen in diesem Jahr auf 8,1 Mio. Euro festgesetzt werden. Liquiditätskredite können bis zu 20 Mio. Euro in Anspruch genommen werden. Und das in Zeiten, wo die Steuereinnahmen sprudeln.
Ein solcher Freibrief zum Schuldenmachen ist mit der UWG nicht zu realisieren.
Wir halten es da eher mit unserem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble:

„Es war richtig in der Krise mehr Schulden zu machen. Aber was in der Krise richtig war, ist nach der Krise falsch“.

Ausgaben verringern bedeutet aber auch vorauseilenden Gehorsam zu vermeiden!
Als Beispiel möchte ich hier die städtischen Aktivitäten zur Regelung der Durchführung der Dichtheitsprüfung nennen.
Obwohl der Gesetzgeber aufgrund von eingelegten Rechtsmitteln die Modifizierung der Dichtheitsprüfungen in Wasserschutzzonen ankündigte, worauf die UWG gezielt hinwies, lief die Bearbeitung in Kaarst auf Hochtouren. Es wurde jede Menge Verwaltungsarbeit und somit auch Geld gebunden, was nicht zwingend erforderlich war.

Generell ist bei der Sicherstellung von Rechtsansprüchen die den Kommunen von Bund und Land auferlegt werden abzuwägen, ob auch diese ihrer Verpflichtung der Mitfinanzierung nachkommen.

Desweiteren, meine Damen und Herren,
heißt solide Haushaltpolitik möglichst auf Verpflichtungsermächtigungen zu verzichten. Hier in Kaarst sollen sie jedoch in diesem Jahr auf exorbitante 15,4 Mio. Euro festgesetzt werden!
Davon sind alleine nahezu 12 Mio. Euro für den Bau der K37n und die sog. Ohrenbrücke vorgesehen. Diese Mittel müssen im Kreishaushalt veranschlagt werden, in dem allerdings bis jetzt noch nichts zu finden ist. Kaarst muss Planrecht schaffen, ja, aber wir sollten es tunlichst vermeiden mit Millionenbeträgen zu jonglieren, auf denen wir möglicherweise sitzen bleiben und damit eventuell in die Haushaltssicherung rutschen.

Reduzierung der Ausgaben heißt auch im Verwaltungsbereich Synergieeffekte zu suchen. Insgesamt ist unser Personalaufwand im Vergleich mit gleichgroßen Kommunen relativ hoch, obwohl wir in einigen Fachbereichen eher unter Personalmangel leiden. Insgesamt müssen die Potentiale unbedingt analysiert und optimiert werden.

In wirtschaftlich guten Zeiten kann, gerade in einer Kommune wie Kaarst, mit relativ hohen Gewerbesteuereinnahmen, die Senkung des Gewerbesteuerhebesatzes zu einer mittelfristigen Konsolidierung des Haushaltes beitragen. Laut IHK ist unser Hebesatz der dritthöchste im Rhein-Kreis-Neuss, wobei er sogar 4 Punkte über dem unserer Landeshauptstadt Düsseldorf liegt. Eine Steuersenkung, begleitet durch eine gute Wirtschaftspolitik erhöht nachhaltig die Attraktivität einer Stadt und wird mit Sicherheit auf längere Sicht mehr Geld in ihre Kassen spülen.

Meine Damen und Herren, ohne dass die Mehrheit dieses Rates einen deutlichen Sparwillen zeigt und ohne Beschränkung auf unbedingt erforderliche Maßnahmen, die in diesem Jahr im Bereich Kinder und Jugend anstehen oder aber die nachhaltige Entwicklung unseres Gewerbegebietes Kaarster Kreuz, werden wir wahrscheinlich in nicht allzu weiter Zukunft Schiffbruch erleiden.

Außerdem wird unsere eigentliche Aufgabe, nämlich die Gestaltung des Lebens vor Ort, auf der Strecke bleiben.

Dazu zählt auch unser Ansinnen in wirtschaftlich guten Zeiten die Bürger, aufgrund der enorm steigenden Energiekosten, durch eine Senkung der Grundsteuern zu entlasten und damit ihre Kaufkraft zu stärken anstatt z.B. auf Teufel komm raus neue B-Pläne mit heißer Nadel zu stricken.

Wir, meine Damen und Herren, haben die Aufgabe den kommenden Generationen eine attraktive und lebenswerte Stadt zu hinterlassen, in der die Menschen sich wohl fühlen können.

Wir haben nicht die Aufgabe unsägliche Verkehrskonzepte durchzuboxen oder die Kosten wesentlich erforderlicher Maßnahmen auf unsere Kinder abzuwälzen.

Damit komme ich zu den letzten beiden Punkten die ich noch erwähnen möchte.

1. Gewerbegebiet Kaarster Kreuz

Mit Sicherheit eine der wichtigsten Planungen, die wir vor der Brust haben. Eine Planung, die auf langfristigen Erfolg ausgerichtet sein muss und die die Ansiedlung von zukunftsweisenden Betrieben ins Auge fasst.
Ein Wunsch, den wir mit Sicherheit alle hier hegen.
Aber wenn wir es nicht schaffen eine vernünftige, belastbare Erschließung auf die Beine zu stellen, können wir diese Zukunftsvision vergessen. Leider arbeiten wir seit Jahren an einer eher desolaten Erschließungsplanung mit sich immer wieder verändernden bzw. nachgeschobenen Parametern.Wie kann es sein, daß man eine Brücke verschieben muss, weil die seit Ewigkeiten vorhandenen Leitungstrassen plötzlich im Wege sind? Übrigens hat die UWG diesbezüglich mehrfach ihre Bedenken geäußert.Wie kann es nach so langer Planung sein, dass eine solche, aus der Not geborene Veränderung nach Expertenmeinung auch noch zu einer „verbesserten Fahrgeometrie“ und einer „flüssigeren Verkehrsabwicklung“ führt? Warum hat man das nicht von vorn herein berücksichtigt? Und, und, und

Mit Sicherheit liegt das auch daran, dass permanent Zeitnot und somit auch Druck suggeriert wird.

Desweiteren sollten wir alle bedenken, dass eine Verkehrserschließung, die vorrangig das Verkehrsaufkommen von IKEA bewältigen muss, die Ansiedlung von für die Stadt möglicherweise effizienteren Betrieben erheblich beeinträchtigt.
Wir sind verantwortlich für unsere Bürger heute und verantwortlich für die nachfolgenden Generationen.

2. Aus diesem Grunde komme ich nun noch auf die so dringend erforderliche Entschlammung des Nordkanals zu sprechen.

Auch wenn unser Bürgermeister und Vorsteher des Wasser- und Bodenverbandes Nordkanal sowie einige Vorstandsmitglieder des Verbandes es nach wie vor abstreiten, dass eine Entschlammung überhaupt notwendig sei, spricht die Realität eine deutlich andere Sprache. Nasse Keller und überflutete Straßen sind in niederschlagsreichen Zeiten an der Tagesordnung. Das Grundwasser steigt, der Kanal ist voll, die Abschlagsstellen liegen unter der Wasserlinie! Ein Kanal der als Vorfluter dient und Teil unseres Entwässerungssystems ist, muss auch während starker Niederschläge seiner Funktion gerecht werden.
Außerdem bedeuten die im Kanal vorhandenen enormen Schlammassen ein erhebliches Sicherheitsrisiko. Und, Herr Bürgermeister, hierbei geht es nicht darum, wen man haftbar machen oder sogar strafrechtlich belangen kann, wenn ein Mensch zu Tode kommt, wie unlängst geschehen, sondern darum dies zu vermeiden.

Der Nordkanalverband muss seiner Verpflichtung nachkommen und den Kanal entschlammen, wobei die Kosten auf die Anrainerkommunen und die Erschwerer umzulegen sind. Die Stadt Kaarst ist dann in der Pflicht eine Umlagesatzung für die auf ihrem Gebiet anfallenden Kosten zu erarbeiten.

Meine Damen und Herren,

der uns vorliegende Haushaltsplanentwurf 2012 schließt mit einem Defizit von ca. 6,7 Mio. Euro ab.

Das rührt aber nicht daher, dass wir ein Einnahmeproblem haben; sondern wir haben ein Ausgabeproblem, das mit hohen Kreditermächtigungen sowie einem Verzehr unserer Ausgleichsrücklage kompensiert werden soll.

Es werden Verpflichtungsermächtigungen für Investitionen festgesetzt, die in keiner Weise den städtischen Haushalt belasten dürfen.
Und zusätzlich bleibt die Zukunftsfähigkeit, ob im Handeln oder aber auch im nicht Handeln, zum Wohle unserer Bürger, zum Wohle unserer Stadt leider teilweise auf der Strecke. Von „We do our very best“ sind wir also noch um einiges entfernt. Aus diesem Grunde lehnen wir den Haushalt ab, dem Stellenplan stimmen wir aber zu!

The same procedure as every year!

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit

( die Rede wurde gehalten von Anja Rüdiger am 08.03.2012 )

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